Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder bei gewünschten Teilfreistellungen

    Das Bundesarbeitsgericht hat am 24.03.2021 (Az. 7 ABR 6/20; Vorinstanz Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg v. 3.12.2019, Az. 15 TaBV 5/18) entschieden, dass der Betriebsrat vor Durchführung der Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder nicht durch Beschluss darüber entscheiden kann, ob und wie Vollfreistellungen durch Teilfreistellungen ersetzt werden sollen.

    Hintergrund der Entscheidung ist, dass in einem Logistikunternehmen unterschiedliche Listen durch Verhältniswahl in den Betriebsrat gewählt wurden und die Vertreter der Minderheitenliste der Betriebsräte einen eigenen Wahlvorschlag für die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern zur Wahl stellten. Der Wahlvorschlag der Minderheitenliste enthielt Kandidatenpaare, die jeweils eine Teilfreistellung, zusammenbetrachtet aber im Umfang einer Vollfreistellung, in Anspruch nehmen wollten. Dies hielt das Landesarbeitsgericht für eine zulässige Vorgehensweise, ohne dass zuvor ein Betriebsratsbeschluss ergangen sein musste.

    Das Bundesarbeitsgericht hat die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder dennoch für unwirksam erklärt, allerdings aus anderen Gründen. Es hat zunächst die Rechtsposition der beiden Vorinstanzen im Grundsatz bestätigt, dass ein vorausgehender Betriebsratsbeschluss zur Festlegung von Teilfreistellungen gesetzlich nicht vorgesehen ist.

    Maßgebliche Überlegung ist dabei, dass der Gesetzgeber Teilzeitbeschäftigten die Möglichkeit zur Freistellung ausdrücklich eröffnet hat und mit der Verhältniswahl den Minderheitenschutz stärken wollte. Wenn ein vorausgehender Betriebsratsbeschluss mit der Mehrheit der Betriebsratsmitglieder gefasst werden müsste, könnte eine Betriebsratsminderheit einen Vorschlag für Teilfreistellungen gegen die Betriebsratsmehrheit nicht verwirklichen.

    Mit dieser Entscheidung stellt sich das BAG auf die Seite der vorinstanzlichen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg und gegen die in der Literatur und in der bisherigen Rechtsprechung vertretene Ansicht, wonach ein solcher Mehrheitsbeschluss erforderlich wäre, um wirksam Teil-Freistellungen zur Abstimmung stellen zu können (anders entschieden hatten noch: LAG Baden-Württemberg v. 18.1.2012 – 20 TaBV 1/11 -; LAG Brandenburg v. 4.3.2002 – 2 TaBV 22/02 -). Maßgeblich für diese Entscheidung war, dass sich ein entsprechendes Gesetz nicht findet und der Förderung von Teilzeit, sowie dem Minderheitenschutz Rechnung zu tragen ist.

    Das BAG hat die Freistellungswahl dennoch für unwirksam erklärt, weil die Minderheitenliste Teilzeit-Kandidatenpaare zur Wahl gestellt hatte, um mit dadurch erreichten Vollzeitkontingenten zur Wahl anzutreten. Das BAG weist darauf hin, dass die Grundsätze der Listenwahl anzuwenden sind. Danach können nur einzelne Kandidaten auf einer Liste zur Wahl gestellt werden, nicht aber Kandidatenpaare.

    Damit hat die Minderheitenliste einen Teilerfolg erreicht und kann, wenn in der Geschäftsordnung des Betriebsrats nichts anderes geregelt ist, Teilfreistellungen gegen den Willen der Betriebsratsmehrheit durchsetzen. Das BAG hat in dieser Entscheidung außerdem klargestellt, dass derjenigen Vorschlagsliste das Bestimmungsrecht über die Aufteilung von Teilfreistellungen zukommt, der nach dem d‘Hondtschen Höchstzahlverfahren die Vollfreistellung zufallen würde und (entgegen Fitting § 38 Rn. 43) eine Verteilung der Höchstzahlen nach Köpfen nicht statthaft ist (Rn. 33). Damit können in einer Vorschlagsliste Teilfreistellungen bis zur Erschöpfung einer Vollfreistellung nacheinander aufgestellt werden, da das Kontingent bei der Auszählung solange derjenigen Liste zusteht bis der Zeitumfang einer Vollfreistellung erreicht ist. Das gleiche gilt bei Nachrücken eines Ersatzmitglieds (bei Verhältniswahl), wenn ein Betriebsratsmitglied aus der Freistellung austritt. Scheidet ein teilfreigestelltes Mitglied (bei Verhältniswahl) aus der Freistellung oder aus dem Betriebsrat aus wäre, wie das BAG betont, bei Kandidatenpaaren unklar, welche Kandidat:in des Kandidatenpaars nachrücken könnte.